|
Das
Foto und sein Betrachter (1)
Die Macht der Bilder
Unter dem programmatischen Titel „Mehr Fotografien!“ veröffentlichte Kurt Tucholsky im Jahr 1912 in der sozialdemokratischen Tageszeitung Vorwärts einen Artikel. In diesem heißt es: „Im berliner (!) Gewerkschaftshaus hängen an den Wänden Fotografien verstümmelter Hände. Betriebsunfälle der Holzarbeiter. Sie wirken: das rüttelt die Gleichgültigsten auf, bis weit nach rechts setzt es schmierige Feuilletons.“ Kurt Tucholsky fordert also: weniger Texte – mehr Fotografien. Ein Schriftsteller zeigt sich von der politischen Überlegenheit der Fotografie überzeugt. Als politisch denkender Mensch hätte er also eher Fotograf denn Autor und Journalist werden sollen. Seine eindrückliche Stellungnahme für das visuelle Medium weist alle wesentlichen Argumente auf, die in den Diskussionen rund um die Fotografie in den folgenden Jahrzehnten immer wieder genannt wurden. So etwa die Unterstellung, das Foto sei ein objektives Abbild der Wirklichkeit. Seinem „Realismus“ gehe die Künstlichkeit und Verfremdung ab, die der Malerei zu eigen sei. Als unmittelbarer Abdruck der Realität tauge deswegen das Foto, zweitens in juristischen oder wissenschaftlichen Zusammenhängen als Beweis für einen Sachverhalt und drittens deswegen auch als politisches Argument. Außerdem diene das fotografische Abbild viertens der Illustration und schließlich auch der Emotionalisierung. Wir sind nicht nur alltäglich von ihnen umgeben, die Bilder sind
auch in uns. Ein kleines Experiment mag dies beweisen:
|