Das
neue Fernabsatzgesetz - Hemmnis oder Vertrauensförderung für
den E-Commerce?
Am 13.04.2000 hat der Bundestag das neue Fernabsatzgesetz (FernAbsG)
verabschiedet, welches der Umsetzung der EU-Richtlinie 97/7/EG dient. Am
19.05.2000 hat der Bundesrat in seiner 751. Sitzung unter dem Tagesordnungspunkt
2 über das Gesetz beraten und es in den Vermittlungsausschuß
verwiesen, es sind daher noch Änderungen möglich. Der Vermittlungsausschuß
wird am 07.06.2000 in Berlin tagen. Das Fernabsatzgesetz enthält eine
Reihe von Informationspflichten für den E-Commerce-Unternehmer, die
unbedingt zu beachten sind, sowie Widerrufsrechte des Verbrauchers. Neben
dem eigentlichen Fernabsatzgesetz wurden noch eine Reihe weiterer gesetzlicher
Vorschriften geändert oder neu eingeführt, die die Regelung der
Verbraucherschutzvorschriften vereinheitlichen sollen.
Bei der Verabschiedung des Fernabsatzgesetz hatte der nationale Gesetzgeber
nur einen begrenzten Spielraum, da er an die EU-Richtlinie gebunden war.
Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf des Fernabsatzgesetz von
1999 haben sich dennoch einige gravierende Unterschiede insbesondere bei
der Struktur der Gesetzesregelung und bei den zu beachtenden Fristen ergeben.
Insgesamt wird das Fernabsatzgesetz für den E-Commerce-Unternehmer
mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu sehen sein. Nachteilig
sind sicher die durch die umfassenden Gesetzesausnahmen und Informations-/
Belehrungspflichten entstehenden Rechtsunsicherheiten, die innerhalb kurzer
Frist (Wirksamkeit der Regelung ab 01.06.2000!) umzusetzen sind.
Auf der anderen Seite steht die Hoffnung, dass die Verbraucher durch
das Fernabsatzgesetz stärkeres Vertrauen in den E-Commerce gewinnen
und sich dadurch die Umsatzmöglichkeiten evtl. steigern werden.
Im folgenden werden die wichtigsten Fragen zum Fernabsatzgesetz in Kürze
dargestellt.
Wer ist vom
Fernabsatzgesetz betroffen?
Nach § 1 Abs. 1 FernAbsG gilt das Fernabsatzgesetz für Fernabsatzverträge,
also solche Verträge, die für die Lieferung von Waren oder die
Erbringung von Dienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer im Rahmen
seiner Vertriebstätigkeit und einem Verbraucher unter ausschließlicher
Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden. Zu beachten
ist daher, dass nicht nur der Online-Handel, sondern auch klassische Vertriebsformen
wie Telefonmarketing und Versandhandel unter das Fernabsatzgesetz fallen.
In § 1 Abs. 3 FernAbsG finden sich wichtige Ausnahmen vom Anwendungsbereich,
so etwa für Finanzdienstleistungen, touristische Dienstleistungen
und Lieferung von Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs.
Worüber
ist der Verbraucher zu unterrichten?
Der Verbraucher ist rechtzeitig vor Abschluss des Vertrages zu informieren
-
über die Identität und Anschrift des Unternehmers
-
über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung sowie darüber,
wann der Vertrag zustande kommt
-
über die Mindestlaufzeit des Vertrages, wenn dieser eine dauernde
oder regelmäßig wiederkehrende Leistung zum Inhalt hat
-
über einen Vorbehalt, eine in Qualität und Preis gleichwertige
Leistung (Ware oder Dienstleistung) zu erbringen und einen Vorbehalt, die
versprochene Leistung im Falle ihrer Nichtverfügbarkeit nicht zu erbringen,
-
über den Preis der Ware oder Dienstleistung einschließlich aller
Steuern und sonstiger Preisbestandteile,
-
über ggf. zusätzlich anfallende Liefer- und Versandkosten,
-
über Einzelheiten hinsichtlich der Zahlung und der Lieferung oder
Erfüllung,
-
über das Bestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts nach §
3 FernAbsG,
-
über Kosten, die dem Verbraucher durch die Nutzung der Fernkommunikationsmittel
entstehen, sofern sie über die üblichen Grundtarife, mit denen
der Verbraucher rechnen muss, hinausgehen und
-
über die Gültigkeitsdauer befristeter Angebote, insbesondere
hinsichtlich des Preises.
Diese Reihe der Grundinformationspflichten enthält eine Vielzahl von
Punkten, die bei Abschluss eines Vertrages ohnehin mitgeteilt werden.
Darüber hinaus müssen dem Verbraucher spätestens bis
zur vollständigen Erfüllung des Vertrages diese Informationen
auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden,
wobei auf folgende Informationen zusätzlich in einer besonderen hervorgehobenen
und deutlich gestalteten Form aufmerksam gemacht werden muss (Am besten
auf einer zusätzlichen besonderen Seite!):
-
Informationen über die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung
und Rechtsfolgen des Widerrufs oder Rückgaberechts nach den §§
3 und 4 FernAbsG sowie über den Ausschluss des Widerrufsrechts nach
§ 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. Buchstabe b FernAbsG,
-
die Anschrift der Niederlassung des Unternehmers, bei der der Verbraucher
Beanstandungen vorbringen kann, sowie eine ladungsfähige Anschrift
des Unternehmers und bei juristischen Personen, Personenvereinigungen oder
-gruppen auch den Namen eines Vertretungsberechtigten,
-
Informationen über Kundendienst und geltende Gewährleistungs-
und Garantiebedingungen,
-
die Kündigungsbedingungen bei Verträgen, die ein Dauerschuldverhältnis
betreffen und für eine längere Zeit als ein Jahr oder für
unbestimmte Zeit geschlossen werden.
Der neue § 361a Abs. 3 BGB sieht die Zur-Verfügung-Stellung "auf
einem dauerhaften Datenträger" als dann gegeben an, wenn die Informationen
dem Verbraucher in einer Urkunde oder in einer anderen lesbaren Form zugegangen
sind, "die dem Verbraucher für eine den Erfordernissen des Rechtsgeschäfts
entsprechende Zeit die inhaltlich unveränderte Wiedergabe der Informationen
erlaubt. Die Beweislast für den Informations- und Erklärungsinhalt
trifft den Unternehmer."
Nach der Gesetzesbegründung ist für die Zur-Verfügung-Stellung
"auf einem dauerhaften Datenträger" ausreichend, wenn die Informationen
dem Verbraucher per E-Mail übersandt wurden. Ob es genügt, wenn
der Verbraucher zu einem Download der Informationen vor dem Vertragsabschluss
gezwungen wird, ist zweifelhaft. Es sollte daher ein dokumentierter E-Mail-Versand
durchgeführt werden.
Welche
Folgen hat ein Verstoß gegen die Informationspflichten?
Werden die Informationspflichten des § 2 Abs. 3 und 4 FernAbsG
nicht erfüllt, beginnt die Frist für das Widerrufsrecht des Verbrauchers
noch nicht zu laufen. Es erlischt jedoch bei der Lieferung von Waren spätestens
4 Monate nach ihrem Eingang beim Empfänger und bei Dienstleistungen
spätestens 4 Monate nach Vertragsschluss oder wenn der Unternehmer
mit Ausführung der Dienstleistung mit Zustimmung des Verbrauchers
vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder der Verbraucher diese selbst
veranlasst hat. Wurde über das Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß
belehrt, haftet der Verbraucher nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit,
falls die Ware verschlechtert wird oder untergeht.
Wer also nicht richtig belehrt, hat eine bis zu 4 Monate dauernde Unsicherheit
über den Widerruf des Vertrags zu erwarten und muss im schlimmsten
Fall damit rechnen, dass er den Preis zurückerstattet und vom Verbraucher
nur noch den defekten Gegenstand zurückerhält.
Bei fehlerhafter Information des Kunden muss außerdem immer mit
Abmahnungen durch Dritte gerechnet werden! Die Folgekosten solcher Abmahnungen
können bekanntlich ausgesprochen hoch sein.
Welchen
Inhalt hat das Widerrufsrecht des Verbrauchers?
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers richtet sich nach den neuen §§
361a, 361b BGB. Der Verbraucher kann demnach ohne Begründung innerhalb
von 2 Wochen einen Widerruf erklären. Hat der Verbraucher widerrufen,
ist er zur Rücksendung auf Kosten und Gefahr des Unternehmers verpflichtet.
Wenn der Gegenstand verschlechtert wurde oder nicht mehr herausgegeben
werden kann, muss der Wert ersetzt werden.
Die weiteren Einzelheiten sind dem Gesetzestext zu entnehmen.
Das Widerrufsrecht besteht nicht bei Fernabsatzverträgen zur Lieferung
speziell nach Kundenwünschen gefertigter Waren und bei Verträgen,
die in Form von Versteigerungen nach § 156 BGB geschlossen werden.
Dies soll nach der Gesetzesbegründung die meisten Online-Auktionen
vom Anwendungsbereich des Widerrufsrechts ausnehmen. Es gibt nach dem Gesetzestext
noch weitere Ausnahmen, wobei abzuwarten bleibt, wie die Rechtsprechung
diese Ausnahmen konkretisieren wird.
Ab wann gilt
das Fernabsatzgesetz?
Das Gesetz findet Anwendung auf alle Verträge, die ab dem 1. Juni
2000 abgeschlossen werden. Die im Rahmen der Einführung des Fernabsatzgesetzes
weiter stattfindenden Gesetzesänderungen werden teilweise erst im
Oktober 2000 wirksam.
Es ist daher unerlässlich, sich baldmöglichst auf die Maßgaben
des neuen Fernabsatzgesetzes einzustellen.
Welche
weiteren Gesetzesänderungen werden mit dem Fernabsatzgesetz eingeführt?
Neben dem Fernabsatzgesetz wurden Änderungen des BGB, des AGB und
anderer Gesetze beschlossen.
Zu den wichtigsten BGB-Änderungen zählen neben den bereits
im Rahmen des Fernabsatzgesetzes genannten §§ 361a und 361b BGB
(einheitliches Widerrufs- bzw. Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen),
folgende Neuerungen:
a) Der neue § 241a BGB sieht folgende Regelungen vor:
"§ 241a BGB Lieferung unbestellter Sachen
(1) Durch die Lieferung unbestellter Sachen oder durch die Erbringung
unbestellter sonstiger Leistungen durch einen Unternehmer an einen Verbraucher
wird ein Anspruch gegen diesen nicht begründet.
(2) Gesetzliche Ansprüche sind nicht ausgeschlossen, wenn die Leistung
nicht für den Empfänger bestimmt war oder in der irrigen Vorstellung
einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies erkannt hat oder
bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen
können.
(3) Eine unbestellte Leistung liegt nicht vor, wenn dem Verbraucher
statt der bestellten eine nach Qualität und Preis gleichwertige Leistung
angeboten und er darauf hingewiesen wird, dass er zur Annahme nicht verpflichtet
ist und die Kosten der Rücksendung nicht zu tragen hat."
Durch den § 241a BGB läuft der Unternehmer zukünftig
das Risiko, dass er bei der Versendung unbestellter Waren diese nicht mehr
vom Verbraucher zurück erhält.
Weiterhin wurde der § 661 a BGB eingeführt, der wie folgt
lautet:
"§ 661a BGB Gewinnzusagen
Ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an
Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck
erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, hat dem Verbraucher
diesen Preis zu leisten."
Hiermit soll klar gestellt werden, dass missverständliche Formulierungen
bei Gewinnmitteilungen künftig zu Lasten des Unternehmers gehen. Hier
ist also in Zukunft für den Unternehmer Vorsicht bei der Formulierung
von sogenannten "Gewinnmitteilungen" anzuraten. Allerdings lag die Problematik
bei einem Vorgehen der Verbraucher aufgrund von Gewinnmitteilungen häufig
darin, dass diese Gewinnmitteilungen von ausländischen Firmen kamen
und so gerichtliche Durchsetzungsschwierigkeiten entstanden.
Weiterhin wird im EGBGB, welches sich mit der Frage des anwendbaren
nationalen Rechts beschäftigt, ein neuer Artikel 29a zum Verbraucherschutz
für besondere Gebiete eingefügt, welcher zum Zweck hat, die Anwendbarkeit
nationalem Rechts auch dann vorzuschreiben, wenn ausländische Internet-Angebote
sich an bundesdeutsche Verbraucher richten.
Was muss ich
als E-Commerce-Unternehmer tun, um die Vorschriften des Fernabsatzgesetzes
zu erfüllen?
-
Informieren Sie sich darüber, ob und wenn ja in welchem Umfang die
von Ihnen geschlossenen Verträge unter das FernAbsG (Anwendungsbereich,
Ausnahmen vom Widerrufsrecht) fallen.
-
Sorgen Sie dafür, dass die Informationspflichten vor Vertragsabschluss
nach § 2 Abs.2 FernAbsG erfüllt werden. Verwenden Sie Standardformulierungen
nur, wenn Sie sicher sind, dass diese auf Ihr Angebot zutreffen.
-
Beachten Sie die besondere Form der Informationspflichten nach § 2
Abs. 3 FernAbsG, welche spätestens bis zur Vertragserfüllung
vorgelegt werden müssen.
-
Sorgen Sie dafür, dass die Erfüllung der Informationspflichten
zuverlässig dokumentiert wird.
Es wird sich zeigen, wie die Rechtssprechung die Vorschriften des FernAbsG
im Einzelnen ausgestaltet. Der Verbraucher wird jedoch durch die im Fernabsatzgesetz
geschlossenen Änderungen in seiner Stellung gestärkt. Dies nicht
zuletzt auch deshalb, weil die Klagemöglichkeiten der Verbraucherschutzverbände
bei der
Gesetzesänderung berücksichtigt worden sind.
Wer die Vorschriften des Fernabsatzgesetz als E-Commerce-Unternehmer
nicht beachtet, muss damit rechnen, bis zu 4 Monate einen Widerruf des
Verbrauchers gegen sich gelten lassen zu müssen. Weiterhin muss er
damit rechnen, dass der Verbraucher seine Ware defekt oder gar nicht herausgibt
und dennoch den Kaufpreis zurückerhält, wenn er nicht grob fahrlässig
oder vorsätzlich gehandelt hat. Eine Beachtung der Informationspflichten
des Unternehmens ist daher unumgänglich.
Heidelberg
|