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Die
Bedeutung von Europa-Normen im Maschinenbau
Wenn Konstrukteure, Entwickler und Technische Redakteure aufmerksam in der Maschinenrichtlinie lesen, schütteln sie an vielen Stellen den Kopf. Ihr Anstoß wird durch die zum Teil sehr allgemeinen Aussagen der Richtlinien erregt. Als Kostprobe ein Auszug aus einer Forderung an die Auslegung von Nahrungsmittelmaschinen: „Alle Flächen sowie ihre Verbindungen müssen glatt sein, sie dürfen weder Rauheit noch Vertiefungen, in denen sich organische Stoffe festsetzen können, aufweisen.“ Mit solchen Aussagen kann der Techniker nichts anfangen, weil sie keine klaren numerischen Definitionen enthalten. Wie glatt oder wie rauh darf die Fläche genau sein? Der Techniker benötigt eine Maßangabe. Konkrete technische Definitionen sind erforderlich Dieses Beispiel zeigt, daß viele Aussagen der EG-Richtlinien der Konkretisierung bedürfen. Solche Konkretisierungen dürfen die EG-Mitgliedstaaten jedoch nicht durch gesetzliche Vorschriften vornehmen. Die EG-Richtlinien werden also nicht mit genauen Definitionen erweitert werden. Gesetzlich festgeschrieben werden nur ihre allgemeinen Aussagen. Zur Konkretisierung wird ein System von Sicherheitsnormen geschaffen. Dabei handelt es sich nicht um Normen einzelner nationaler Organisationen, wie etwa des DIN, sondern um sogenannte „harmonisierte Europanormen“, die zumindest von allen Normungsorganisationen der EG-Staaten anerkannt werden müssen. Europanormen zur Konkretisierung Interessant ist, daß diese Sicherheitsnormen unverbindlich bleiben. In keinem EG-Staat dürfen sie den Status einer Rechtsvorschrift, eines Gesetzes oder dergleichen erhalten. Ihre Einhaltung wird nicht obligatorisch. Wer dazu in der Lage ist, kann die Anforderungen der EG-Richtlinien auch auf einem nicht in diesen Normen beschriebenen Weg zu erreichen suchen. Dabei muß man jedoch im Sinn behalten, daß jeder Hersteller über die Übereinstimmung seiner Produkte mit den Richtlinien einen Nachweis führen muß. Wenn er nachweisen kann, daß er zutreffende, harmonisierte Europanormen eingehalten hat, soll angenommen werden, daß das Produkt auch die Anforderungen der jeweiligen EG-Richtlinien erfüllt. Mit anderen Worten: Der einfachste Weg zur Erfüllung der EG- Richtlinien ist die Einhaltung der darunter angesiedelten harmonisierten Europanormen. Dadurch nehmen sie einen quasi-gesetzlichen Charakter an. Allerdings sind viele der benötigten Normen noch im Entwurfs- oder Vornomenstadium. Dies gilt besonders für die produktspezifischen Maschinensicherheitsnormen. Aus diesem Grund müssen Unternehmen heute zuverlässige Mechanismen entwickeln, die es ihnen gestatten, auf dem laufenden zu bleiben, was die Normung betrifft. |
![]() Abbildung 1:
Verbindlichkeit von Sicherheitsanforderungen
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![]() Abbildung 2:
Normungsprogramm „Sicherheit von Maschinen“
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Die europäische Normungsarbeit wird im Rahmen dieses
Programms immer konkretere Aussagen über die Sicherheit industrieller
Produkte ergeben. Im Zuge dieser Entwicklung darf man sicher auch konkretere
Anforderungen zum Thema technische Information/Dokumentation und Betriebsanleitung
erwarten.
Das wird deutlich, wenn man eine der ersten dieser Sicherheitsnormen genau studiert — DIN EN 292 Sicherheit von Maschinen, Grundbegriffe, allgemeine Gestaltungsgrundsätze Teil 1 und 2. Die erste Sicherheitsnorm mit Aussagen zur Dokumentation In Teil 2 dieser Norm findet sich ein ganzes Kapitel, das sich ausschließlich der formalen und inhaltlichen Gestaltung von „Benutzerinformationen“ widmet. Für Normenkenner sei angemerkt, daß DIN EN 292 in weiten Teilen einen Ersatz der bekannten DIN 31 000 bzw. VDE 1000 „Allgemeine Leitsätze für das sicherheitsgerechte Gestalten technischer Erzeugnisse“ darstellt. Umfang, Inhalt DIN EN 292 „Sicherheit von Maschinen, Gundbegriffe, allgemeine Gestaltungsleitsätze“ umfaßt zwei Teile:
Bedeutung für die Dokumentation Für die Dokumentation sind insbesondere von Bedeutung:
Die Norm führt den neuen Oberbegriff „Benutzerinformation“ ein (in DIN EN 292 Teil 2 Kap. 5). Benutzerinformation besteht danach aus:
In DIN EN 292 Teil 1 Abschnitt 3.11 wird dieser integrale Bestandteil jedes Produktes konsequenterweise zur Konstruktion der Maschine gerechnet. Durch diese Definition wird die Betriebsanleitung in ihrer Stellung zum Produkt richtig eingeordnet. Sie ist Teil der Konstruktion und somit Konstruktionsaufgabe. Die Betriebsanleitung ist Konstruktionsaufgabe Allerdings darf sie nicht dem klassischen Konstrukteur überlassen werden, sondern erfordert ein spezialisiertes Ressort innerhalb der Konstruktion und den Einsatz entsprechend ausgebildeter Fachkräfte. Endlich wird mit dieser Definition in bezug auf die Betriebsanleitung der Schritt vom „notwendigen Übel“ zum unabdingbaren Produktbestandteil vollzogen. Allerdings nur theoretisch in der Welt der Normer. Mit Blick auf den gesetzlichen „Unterbau“ der DIN EN 292 dürfen wir jedoch hoffen, daß diese Theorie Schritt um Schritt Wirklichkeit wird. Inhalt, Aufbau und Gestaltung von Benutzerinformationen Das Kapitel 5 in DIN EN 292 Teil 2 beschäftigt sich ausschließlich mit dem Inhalt und dem Aufbau von Benutzerinformationen. Diese hier aufzulisten sprengt jedoch den Rahmen des Artikels. Eine Liste aller Anforderungen ist z. B. in der Broschüre „Betriebsanleitungen nach EG-Richlinien“ von Matthias Schulz enthalten. Dort findet sich auch eine Beispielanleitung, in der diese umgesetzt sind (erhältlich bei Adolph Verlag GmbH). Beachtung verdienen auch die Anforderungen an die Gestaltung und Redaktion:
Interessant sind auch die Anforderungen an die Abfassung und Redaktion. Hier sind jedoch — typisch für Normen — einige Pauschalforderungen enthalten, deren Erfüllung kaum nachprüfbar ist und deren Sinn immer wieder bezweifelt und diskutiert wird:
Manchen wird es kaum begeistern, daß ein Anwender vor dem Handeln denken soll (Prinzip: Sehen — Denken — Anwenden). Haben wir mit den knappen Schritt-für-Schritt-Anleitungen nicht gerade versucht, ihm das abzugewöhnen? Argumentiert man nicht immer wieder, daß ein Anwender der nachdenken muß, Fehler machen wird? Ist „warum?“ eine relevante Frage? Ins gleiche Zielgebiet trifft die Forderung nach den Antworten auf die Frage „warum?“. Dagegen kann man einwenden, das wolle in vielen Fällen überhaupt niemand wissen. Interessant sei letztlich nur das Ergebnis der Nutzung, und zwar ein möglichst schnell herbeigeführtes. Das habe die Benutzerinformation zu leisten, und nicht Aufklärung über Hintergründe. Und wenn wir die Frage nach dem „warum?“ doch beantworten, wie weit sollen wir dann gehen? Vielleicht kennen Sie die „Warum- Spiele“ von Dreijährigen. Ist es das, worauf wir uns einstellen müssen? Diese Fragen muß sich jeder auch mit DIN EN 292 weiterhin selbst beantworten. Das liegt daran, daß der wissenschaftliche Überbau solcher Anforderungen mehr als dürftig ist. Es gibt zu wenige Forschungsprojekte zum Thema Benutzerinformation. Und deshalb hätte man sich aus solchen Fragen besonders in einer Norm besser herausgehalten. In diesen Aussagen gibt die Norm lediglich die „Pro-Forma-Wahrheiten“ einer kleinen Gruppe von zumeist selbsternannten Fachleuten wieder. Das ist jedoch symptomatisch für die sog. „Dokumentations-Branche“. Wir verkaufen unser Halbwissen allenthalben als erwiesene Tatsache. Trotzdem muß man resümierend sagen: eine beachtliche Norm,
deren Teil 2 auf den Tisch jedes Technischen Redakteurs gehört, (obwohl
sie natürlich unverschämt teuer ist).
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