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Die
besondere Bedeutung der harmonisierten Normen
Im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung von Produkten haben Normen eine neue, besondere Bedeutung erhalten. Das gilt insbesondere für die harmonisierten europäischen Normen, die im Auftrag (mit Mandat) der EG-Kommission erarbeitet wurden. Wendet ein Hersteller die einschlägigen europäischen harmonisierten Normen an, so wird die Einhaltung der wesentlichen Anforderungen (in der Regel Sicherheitsanforderungen) der EG-Richtlinien nach der Neuen Konzeption vermutet. Abstützung der EG-Richtlinien auf Harmonisierte Normen, Neue Konzeption Zur Verwirklichung des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes ist und war der Abbau von Handelshemmnissen innerhalb der Gemeinschaft erforderlich. Dieses Ziel ist zu erreichen durch
Diese sehr sinnvolle Vorgehensweise ist nun seit ca. 1985 im harmonisierten Bereich die Regel und wird als „Neue Konzeption“ oder „Neuer Ansatz“ bezeichnet. Zum Beispiel verlangt eine Richtlinie von einem Produkt eine angemessene Störfestigkeit (abstrakte Anforderung). Und in den entsprechenden harmonisierten Normen sind die physikalischen Grenzwerte zur Prüfung der Störfestigkeit angegeben (konkrete Anforderungen), z. B. 4 kV bei der elektrostatischen Entladung. Ausarbeitung der harmonisierten Normen mit Mandat der EG-Kommission Wie erfolgt nun die Ausarbeitung der konkreten Anforderungen (in der Regel Sicherheitsanforderungen) der für diese EG-Richtlinien erforderlichen harmonisierten Normen? 1. Die EG-Kommission erteilt einen ersten Auftrag an eine der drei europäischen Normungsorganisationen. Die europäischen Normungsorganisationen sind
Europäisches Komitee für Normung, Europäisches Komitee für Elektrotechnische Normung und Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen. 2. Nach Fertigstellung dieser Normen werden sie der EG-Kommission zur Genehmigung vorgelegt. Nicht in dem Sinne, dass die EG-Kommission technische Einzelheiten ändert, sondern sie überprüft die Norm hinsichtlich der Einhaltung des Mandats. 3. In der Regel werden die Fundstellen dieser Normen dann im Amtsblatt der EG veröffentlicht, und damit erhält die harmonisierte Norm ihren gesetzlichen Charakter (widerlegbare Beweisvermutung). Um Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt viele europäische Normen (EN), aber nicht jede EN ist eine harmonisierte Norm in diesem Sinne, also mit Mandat der EG-Kommission zur Konkretisierung von Sicherheitsanforderungen erarbeitet. Hierarchischer Aufbau der harmonisierten Normen Mehrere Hundert Normen sind für die Konkretisierung der EG-Richtlinie im harmonisierten Bereich erforderlich. Um diese vielen Normen in angemessener Zeit erarbeiten zu können, ist eine hierarchische Gliederung der Normen sinnvoll. CEN z. B. konkretisiert die wesentlichen Anforderungen der EG-Maschinenrichtlinie in den sogenannten
Den hierarchischen Aufbau der harmonisierten Normen verdeutlicht das Bild.
Die Idee ist, dass man zunächst einmal ein paar Grundnormen (A-Normen) schafft, auf die man dann auch in den entsprechenden Gruppennormen (B-Normen) Bezug nehmen kann. In den Gruppennormen muss somit nicht alles neu beschrieben werden, sondern man nimmt einfach auf die A-Normen Bezug. Und entsprechend: Die Produktnormen (C-Normen) für die einzelnen Produkte können auf die Gruppen- oder Grundnormen Bezug nehmen. Es gibt einige wenige A-Normen, einige Dutzend B-Normen, und Hunderte von C-Normen (für die unterschiedlichsten Maschinen). Das Dreieck in Bild 1 soll diesen Zusammenhang auch quantitativ zum Ausdruck bringen. Die bekanntesten A-Normen im Zusammenhang mit der Maschinenrichtlinie sind die DIN EN 292, Teil 1 und Teil 2, die sozusagen die Anforderungen der EG-Maschinenrichtlinie in die Norm „überführen“ und ausweiten. Anhang A der EN 292-2 ist auch identisch mit dem Anhang I der Maschinenrichtlinie. Die B-Normen sind noch einmal unterteilt in B1- und B2- Normen:
Ein Beispiel für eine B2-Norm ist die DIN EN 418 (Sicherheit von
Maschinen, NOT-AUS-Einrichtung). Hier wird u. a. beschrieben, dass jede
Handlung am Stellteil, die zu einer Erzeugung des NOT-AUS-Befehls führt,
auch zu einem Verrasten des Befehlsgerätes führen muss, so dass
nach Beendigung der Betätigung des Stellteils der NOT-AUS-Befehl bestehen
bleibt, bis das Befehlsgerät rückgestellt (entriegelt) wird.
Das Befehlsgerät darf nicht verrasten, ohne einen NOT-AUS-Befehl zu
erzeugen.
Für einen Hersteller ist es empfehlenswert nach einer relevanten Produktnorm (C-Norm) zu recherchieren und diese anzuwenden, weil (salopp gesprochen): C-Normen „schlagen“ B-Normen, und B-Normen „schlagen“ A-Normen. Der C-Normen-Setzer darf von Anforderungen der B-Norm abweichen, wenn dies bei dem speziellen Produkt sinnvoll und somit eine Abweichung erforderlich ist. Entsprechendes gilt für B-Normen im Vergleich zu A-Normen. Das hat die Konsequenz, dass ein Hersteller in der Praxis am besten ermittelt, ob es für sein Produkt bereits eine Produktnorm gibt. Wenn ja, kann er allein schon durch Anwendung dieser Produktnorm in der Regel einen großen Teil der wesentlichen Anforderungen der jeweiligen EG-Richtlinie erfüllen. Nur für die Punkte, die in Produktnormen nicht geregelt sind, muss er auf andere Normen zurückgreifen. Die besondere Bedeutung der harmonisierten Normen Durch die Abstützung der EG-Richtlinien im harmonisierten Bereich auf Normen erhalten die Normen eine neue Bedeutung:
Ein Hersteller könnte sich jedoch auch entscheiden, eine andere Technik anzuwenden, die aber mindestens ebenso sicher sein muss. Die Beweislast liegt in diesem Falle dann beim Hersteller. Sieht z. B. die harmonisierte Norm vor, dass der NOT-AUS-Stromkreis in kontaktbehafteter Technik zu realisieren ist, dann muss er belegen können, dass seine Lösung, z. B. in redundanter Technik (unterschiedliche Hard- und Software, Sicherer Vergleicher, usw.) mindestens ebenso sicher ist, wie die kontaktbehaftete Technik mit zwangsöffnenden Kontakten. Der Aufwand und die Umkehrung der Beweislast werden einen Hersteller in der Regel veranlassen, die harmonisierte Norm anzuwenden. Ein Beispiel zum dritten Punkt: Wenn ein Hersteller eine Maschine entsprechend Anhang IV der EG-Maschinenrichtlinie konzipiert und fertigt (umgangssprachlich oft als „gefährliche Maschine“ bezeichnet), dann muss er eine „gemeldete Stelle“ einschalten. Stimmt sein Baumuster mit den einschlägigen harmonisierten europäischen Normen überein, kann er selbst wählen, ob er z. B. nur die technischen Unterlagen einer gemeldeten Stelle übermittelt, ob er diese Unterlagen auf Einhaltung der Normen überprüfen lässt, oder ob er eine Baumusterprüfung durchführen lässt. Das heißt er kann, er muss aber nicht, eine EG-Baumusterprüfung durchführen lassen. Hingegen existiert eine harmonisierte Norm nicht (oder wendet er sie nicht an), dann muss er eine Baumusterprüfung von einer gemeldeten Stelle durchführen lassen. Harmonisierte Normen / nationalen Normen Nationale Normen sind im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung im Allgemeinen nur noch solange von Bedeutung, wie die entsprechenden harmonisierten europäischen Normen noch fehlen. Der Hersteller zeigt dadurch quasi seinen „Guten Willen“: Nur in Ermangelung der harmonisierten Normen für den gemeinsamen Binnenmarkt greift er noch auf die „alten“ (nationalen) Normen zurück. In dem Maße, wie harmonisierte Normen entstanden sind und noch entstehen, wird z. B. im Bereich der Maschinenrichtlinie die Liste der „hilfreichen und wichtigen Normen“ abnehmen. Waren vor drei, vier Jahren zu den jeweiligen EG-Richtlinien noch relativ wenige harmonisierte Normen erarbeitet, so sind heute (Mitte 2000) schon mehrere Hundert harmonisierte Normen vorhanden, z. B.
Im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung haben die harmonisierten europäischen
Normen eine besondere Bedeutung erhalten. Die harmonierten Normen konkretisieren
die abstrakten Anforderungen der EG-Richtlinien, sie enthalten z. B. physikalische
Grenzwerte, Mindestumfang der erforderlichen Dokumentation, usw. . Die
Anwendung und Einhaltung der relevanten harmonisierten Normen stellen für
einen Hersteller von Produkten in der Regel die Vermutung der Einhaltung
der gesetzlichen Anforderungen dar. Erst wenn der Hersteller die erforderliche
technische Dokumentation erstellt und die relevanten Prüfungen durchgeführt
hat, gegebenfalls mit Hilfe eines Dienstleisters, dann darf er sein Produkt
auf dem gemeinsamen Markt in den Verkehr bringen.
64720 Michelstadt
E-Mail:
Wilfried.Strassmann@t-online.de
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