Inhalt:
Einführung
Situation
in Deutschland
Zweck
von Gefahrenanalysen
Werkzeuge
und Methodik
Wer
soll Gefahrenanalysen
Hilfestellung
Autor
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Gefahrenanalysen
für Maschinen durchführen
Einführung
Schon das Wort „Gefahrenanalyse“ erzeugt bei manchem Konstruktionsleiter
ein ungutes Gefühl in der Magengegend. So gut wie jeder weiß
inzwischen, daß die EG-Maschinenrichtliche (98/37/EWG) sie in Anhang
I ausdrücklich fordert. Diese Forderung gilt zwingend seit dem 1.
Januar 1995. Es heißt in den Vorbemerkungen zu Anhang I:
„Der Hersteller ist verpflichtet, eine Gefahrenanalyse vorzunehmen,
um alle mit seiner Maschine verbundenen Gefahren zu ermitteln; er muß
die Maschine dann unter Berücksichtigung seiner Analyse entwerfen
und bauen.“
Situation
in Deutschland
Trotz der deutlichen Forderung können die Maschinenbauunternehmen
in Deutschland für deutlich weniger als 50 % ihrer seit 1995 verkauften
Maschinen und Anlagen Gefahrenanalysen vorweisen. Woran liegt das? Als
Antwort auf die Frage vernimmt man im wesentlichen zweierlei:
-
Das kostet zuviel und bringt nichts.
-
Die Konstrukteure sind sich nicht sicher, wie sie Gefahrenanalysen durchführen
sollen.
Diese Argumente sind nicht leicht von der Hand zu weisen. Gefahrenanalysen
werden oft erst am fertigen Produkt durchgeführt, manchmal sogar erst
nach der Auslieferung, und zwar weil der Kunde plötzliche eine dokumentierte
Gefahrenanalyse verlangt. Das kostet dann tatsächlich nur Geld und
bringt nichts. Im Gegenteil: Wenn bei der Analyse Schwachstellen zu Tage
treten und Gefahrenquellen entdeckt werden, die man zuvor übersehen
hatte, gerät man in Entscheidungsnot. Soll man das fertige Produkt
ändern oder die entdeckte Gefahrenquelle unterschlagen?
Auch die Klage über mangelnde Hilfestellung von Seiten der Regelsetzer,
die die Gefahrenanalyse zum Standard erhoben haben, ist nicht unberechtigt.
Beim Studium der Aussagen in Normen zum Thema fällt auf, daß
viele verschiedene Methoden zur Gefahrenanalyse denkbar sind. Keine einzige
davon ist in Normen jedoch so gut dokumentiert, daß man sie sofort
und direkt anwenden könnte. Noch schwieriger wird es bei der sog.
„Risikobeurteilung“. Die Ausführungen dazu sind geradezu „nebulös“,
und der Zweck des Verfahrens wird kaum deutlich.
Zweck
von Gefahrenanalysen
Trotzdem bleibt die Forderung, und das zu Recht. Selbstverständlich
haben Konstrukteure im Maschinenbau sich schon immer mit den Gefahren ihrer
Produkte beschäftigt und deshalb auch entsprechende Schutzeinrichtungen
konstruiert. Allerdings waren diese Anstrengungen bisher eher ein Nebengleis
der Konstruktionstätigkeit und spielten auch in Forschung und Lehre
keine große Rolle.
Gefahrenanalysen sollen nun dazu beitragen, Sicherheit systematisch
in die Konstruktionsarbeit zu integrieren. Durch ein nachvollziehbares
und gut dokumentiertes Verfahren soll erreicht werden, daß möglichst
wenige Gefahrenquellen übersehen werden. Soweit möglich, soll
jede Gefährdung durch konstruktive Maßnahmen beseitigt oder
minimiert werden, damit man auf Warnschilder und Sicherheitshinweise in
Betriebsanleitungen weitgehend verzichten kann. Denn diese sog. „hinweisende
Sicherheitstechnik“ ist schon immer nur die zweitbeste Lösung.
Gefahrenanalysen helfen auf diese Weise auch, das Haftungsrisiko des
Unternehmens zu verringern. Zum einen führen sie bei korrekter Anwendung
tatsächlich zu höherer Produktsicherheit und damit geringerem
Unfallrisiko, zum anderen machen Sie Entscheidungen über bestimmte
Schutzmaßnahmen nachvollziehbar und legen offen, welche Restgefahren
im Produkt verblieben sind.
Werkzeuge
und Methodik
Um die hohen Ziele bei der Gefahrenanalyse erreichen zu können,
muß man systematisch daran gehen. Dazu benötigt man dreierlei:
-
Eine Auflistung aller sog. „Lebensphasen“ des Produktes, d. h. der Hauptphasen,
die es zwischen Auslieferung und Verschrottung durchläuft. Das sind
fast immmer, Transport, Aufstellen, Montage, Inbetriebnahme, Betrieb in
verschiedenen Betriebsarten, Fehlersuche, Reinigung, Wartung, Reparatur,
Demontage und Entsorgung. Zu den einzelnen Lebensphasen sollten möglichst
alle Handlungen erfaßt werden, die am Produkt oder in Verbindung
damit ausgeführt werden.
-
Eine Liste aller Gefährdungen, die normalerweise von Maschinen und
Anlagen ausgehen können. Eine solche Liste ist z. B. im Anhang A der
Europanorm EN 1050 zu finden. Detailliertere Beschreibungen der Gefährdungen
findet man in EN 292 Teil 2.
-
Ein oder mehrere Formulare zur Erfassung der Gefährdungen die bei
bestimmten Handlungen in den einzelnen Lebensphasen auftreten. Jeder ermittelten
Gefährdung muß in diesem Formular eine Lösungsbeschreibung
zugeordnet werden. Die Lösungen sollten auf ihre Übereinstimmung
mit Normen geprüft und die relevanten Normen angegeben werden.
Wer
soll Gefahrenanalysen durchführen?
Gefahrenanalyse ist nach der Definition in der Maschinenrichtlinie Teil
der Konstruktionsaufgabe und sollte somit von Konstrukteuren durchgeführt
werden. Nur sie haben die Möglichkeit, adequate Schutzmaßnahmen
auszuwählen und auch konstruktiv in das Design zu integrieren.
Hinzuziehen kann und sollte man aber auch Anwender des Produktes oder
Personen, die mit der Anwendung zumindest gut vertraut sind. Das gilt oft
für Servicetechniker, manchmal auch für Vertriebsingenieure.
Zusätzlich ist es sinnvoll, einen Steuerungstechniker in das Team
einzuladen, damit auch die elektrotechnischen Aspekte gebührend berücksichtigt
werden. So kann eine Gruppe von 3 bis 5 Personen sinnvoll und zügig
Gefahrenanalysen durchführen.
Auf gute Vorbereitung sollte dabei größter Wert gelegt werden.
Alle benötigten Informationen können vor den eigentlichen Besprechungen
zusammengetragen werden: Aufrißzeichnungen, Pflichten-/Lastenheft,
Kundenauftrag, Gefährdungslisten, wesentliche Normen usw.
Hilfestellung
Aus der Praxis für die Praxis bietet jetzt eine 98seitige Broschüre
Hilfestellung bei der Durchführung von Gefahrenanalysen und Risikobeurteilungen.
Darin wird nicht nur das Verfahren ausführlich beschrieben, sondern
es ist auch ein komplettes Arbeitsbeispiel enthalten. Und im Anhang der
Broschüre sind schließlich die benötigten Werkzeuge abgedruckt:
Gefährdungsliste und Erfassungsformulare (beides gibt’s auch „soft“
vom Autor).
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