Inhalt:
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Risiko-
und Gefahrenanalyse - verbindliche rechtliche Forderung - unklare praktische
Durchführung
1 Die Entwicklung von Risiko- und Gefahrenanalysen Ende des vorigen Jahrhunderts wurden in verschiedenen Industriebereichen Verfahren entwickelt, die von Maschinen und Anlagen ausgehenden Risiken und Gefahren vorbeugend zu analysieren, um sie danach weitgehend zu vermeiden. Dies betraf Dampfkessel mit den zugehörigen Nebenaggregaten und vor allem chemische Anlagen. Bereichsweise entwickelten sich daraus unterschiedliche verfahrensspezifische
Risiko- und Gefahrenanalysen, deren Wege und Mittel unterschiedliche bereichsspezifische
Eigenheiten enthielten und nicht allgemein anwendbar waren. Ihre praktische
Anwendung war stets in das freie Ermessen des jeweiligen Herstellers gestellt,
ohne daß dafür rechtlich bindende Anforderungen bestanden oder
in Rechtsnormen gefordert wurden. Selbst das 1977 neu geschaffene Gerätesicherheitsgesetz
kennt nicht einmal diese Begriffe, geschweige schreibt es das Auswerten
dieser vorbeugenden Verfahren auch nur sektoral vor [1].
2.1 Entstehen Rechtliche Forderungen an Vorsorge- und Vorbeugemaßnahmen zum Verhindern von unerwünschten Abläufen und Ereignissen sind in Rechtsnormen des Gewerberechtes im geregelten Bereich laufend verschärft und erweitert worden. Allgemeiner Maßstab ist stets die nach dem Stand der Technik [2] erreichbare Sicherheit, die in allgemeinen Anforderungen nicht konkret zu erfassen ist, sondern die im Einzelfall produktspezifisch und anwendungsbezogen mit konkreten technischen Vorgaben ermittelt werden muß- Allgemeine Rechtsnormen mit konkreten technischen Vorgaben oder eindeutige technische Normen konnten wegen der individuellen Gestaltung der unterschiedlichen Maschinen und Anlagen wie ihrer höchst unterschiedlichen Anwendungsbedingungen nicht erstellt werden. Auf Grund dieser fehlenden technischen Vorgaben konnte der Gesetzgeber auch keine rechtlich bindenden Anforderungen formulieren, die nur für größere Industriebereiche zutreffend und praktisch wirksam hätten sein können. Die für Sicherheit und Unfallverhütung in den Betrieben zuständigen Berufsgenossenschaften griffen dieses Problem auf und formulierten in ihren Unfallverhütungsvorschriften einzelne maschinen- und anlagenspezifisch konkrete Vorgaben für konstruktive Einzelheiten, die jedoch stets nur bereichsbezogen galten. In dem Bemühen, allgemeine Sicherheitsanforderungen zu formulieren und ihr Umsetzen von der Freiwilligkeit der einzelnen Hersteller unabhängig zu machen, entstanden Leitsätze, deren wichtigste in DIN 31000 "Allgemeine Leitsätze für das sicherheitsgerechte Gestalten technischer Erzeugnisse" sowohl für Maschinen als auch für elektrotechnische Erzeugnisse galten. Im Dezember 1971 erschien die erste Fassung von DIN 31000 als Vornorm, nach Einarbeiten allgemeiner Leitsätze für elektrotechnische Erzeugnisse im März 1979 als endgültige DIN-Norm. Als anerkannte Regel der Technik [3] entwickelten diese und die darauf aufbauenden folgenden technischen Normen ein Niveau sicherheitstechnischer Regeln mit der widerlegbaren Vermutung, durch ihr Einhalten die allgemeinen Sorgfaltspflichten des Zivilrechtes zu erfüllen. Rechtlich verbindliche Wirkungen konnten sie nach der Art Ihres Entstehens in technisch- wissenschaftlichen Vereinigungen nicht entwickeln [4]. 2.2 Der Forderungskatalog der EG-Maschinenrichtlinie Mit dem europäisch harmonisierten Recht der Technik wurden neue erweiterte rechtliche Anforderungen an technische Vorgaben geschaffen. Hier übernahm die EG-Maschinenrichtlinie eine Vorreiterrolle. Das europäische Recht verpflichtet alle Mitgliedsstaaten, innerhalb der in den einzelnen EG-Richtlinien vorgegebenen Fristen deren Inhalt unverändert in innerstaatliches Recht umzusetzen. Wenn dies auch oft verzögert geschieht, so haben die europaeinheitllchen Vorgaben der EG-Maschinenrichtlinie wegweisend und maßgeblich zu erfüllende rechtlich verbindliche Anforderungen geschaffen [5]. Für eine allgemeine Risiko- und Gefahrenanalyse bestimmt die EG-Maschinenrichtlinie unter Ziff. 3 der Vorbemerkungen des Anhanges I:
Im Anhang V Ziff. 3 der EG-Maschinenrichtlinie wird der notwendige Umfang der technischen Dokumentation aufgelistet, die vor der CE-Kennzeichnung und der Abgabe der EG-Konformitätserklärung vom Hersteller zur Verfügung der nationalen Überwachungsbehörden erstellt sein muß. Sie hat u. a. zu enthalten (Ziff. 4)
3 Harmonisierte (europäische) Normen als widerlegbare Erfüllungsvermutung Nach der "Neuen Konzeption auf dem Gebiete der technischen Harmonisierung und der Normung" der EG-Richtlinie vom 7. Mai 1985 wurde die im technischen Sicherheitsrecht der Bundesrepublik Deutschland seit langem bewährte Regelung auch für Europa übernommen; wer eine harmonisierte europäische anerkannte Regel der Technik einhält, hat die widerlegbare Vermutung für sich, daß er die grundlegenden Sicherhelts- und Gesundheitsanforderungen nach allen zutreffenden europäischen Richtlinien eingehalten hat [6]. In der Präambel der EG-Maschinenrichtlinie wird dies formuliert:
Das Europäische Normenwerk ist erst in den letzten Jahren intensiv weiterentwickelt worden. Trotz einer erfreulichen Zunahme Europäischer Normen sind diese noch nicht in der erforderlichen Vielfalt und Zahl verfügbar, wie sie in Normenwerken entwickelter Industrienationen, z. B. Großbritannien, Frankreich oder Deutschland. in einem viel längeren Zeitraum geschaffen wurden. Die nationalen Normen der Industrieländer gelten bis auf weiteres, wenn und soweit der Geltungsbereich für einzelne Aufgaben noch nicht in harmonisierten Europäischen Normen vorgegeben und mit praktisch anwendbaren Lösungen verfügbar ist [8]. Die Abstimmungsverfahren innerhalb des CEN erfordern Zeit. Aus diesem Grund gewinnen harmonisierte Europäische Norm-Entwürfe (prEN) eine zusätzliche Bedeutung für die Unternehmen. Ist erst einmal der harmonisierte Europäische Norm-Entwurf mit den notwendigen Mehrheiten verabschiedet und national veröffentlicht, so kann davon ausgegangen werden, daß dieser Text als harmonisierte Europäische Norm verabschiedet und in das nationale Normenwerk übernommen wird. Der Status als harmonisierter Europäischer Norm-Entwurf gibt eine größere Sicherheit und eine höhere Wahrscheinlichkeit, daß seine Regelungen in die Normenwerke aller Mitgliedsländer übernommen werden, als dies bei Entwürfen allein nationaler Normen üblich ist. Es ist deshalb stets empfehlenswert, das Erscheinen und den Inhalt Europäischer Norm-Entwürfe sorgfältig zu beobachten und innerbetrieblich gezielt auszuwerten und anzuwenden, wie dies für nationale Normen üblich sein sollte. Die EG-Maschinenrichtlinie hat den rechtlichen Charakter harmonisierter Europäischer Normen in Art. 5 Ziff. 1 und 2 festgeschrieben:
Anhang V der EG-Maschinenrichtlinie verlangt eine Aufnahme des Nachweises
der Konformität mit angewandten harmonisierten Europäischen Normen
in die zur Prüfung vorzulegende technische Dokumentation. Heute übliche
Konformitätserklärungen weisen die einzelnen harmonisierten Europäischen
Normen zum Nachweis der erfüllten allgemeinen Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen
in ihren Texten offen aus [9].
Wuppertal
Der Autor: Studium an der TH Karlsruhe,
TH Hannover und Manhattan-College New York, Abschluß-Diplom Fertigungstechnik
bei Prof. Dr. 0. Kienzle.
Schrifttum:
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