Scheinselbständigkeit
-
üben
Freiberufler jetzt den "Lafontaine"?
Thematische
Einführung
Das Thema hat Brisanz - gleichermaßen für den Technischen
Redakteur wie für den Technischen Übersetzer. Angesprochen sind
ebenfalls die Auftraggeber. Wer in diesen Tagen nicht aufpasst, spaziert
am Rande seiner eigenen Pleite. Freiberufler wie Auftraggeber.
Das sind harte Worte zu einem sehr ernst zu nehmenden Thema. Die
Gretchenfrage lautet schlichtweg, ob Sie als Freiberufler bisher nur den
Schein gewahrt haben und zumindest jetzt, nach der neuen Gesetzeslage,
ein verkappter Angestellter Ihres Auftraggebers geworden sind.
Wenn ja, geht es dem Geldbeutel in großem Stil an den Kragen.
Der Staat kleckert nicht mehr, er klotzt. Passen Sie auf. Zu Ihrem Problem
mit der Sozialversicherung gesellt sich ein weiterer Hiobsbote dazu. Werden
Sie als Angestellter gewertet, wird Ihnen das Finanzamt die Abzugsfähigkeit
der in Rechnung gestellten MwSt für Ihren Auftraggeber streitig machen.
Aber auch Ihr Auftraggeber wird sich bedanken. Er wird die Beiträge
zur Sozialversicherung grundsätzlich für 4 Jahre nachzahlen müssen.
Und das für jeden einzelnen Freiberufler, der eigentlich gar keiner
ist.
Verstehen Sie jetzt den Ernst der Überschrift? Mit Blick in die
Zukunft, die heute schon begonnen hat, werde ich versuchen, die Gesamtthematik
entsprechend der Tiefe Ihres Verständnisanspruchs vor Ihnen auszubreiten.
Sie können sich erst einmal leicht an der grafischen Übersicht
orientieren.
RA Stock hat eine Kurzfassung zu
diesem Thema geschrieben, die geeignet ist, sich schnell zu informieren.
Etwas tiefer, eher aus der Sicht der steuerberatenden Berufe (dem virtuellen
Steuer-Forum für Steuerberater und Steuerzahler),
führt der nächste Artikel Sie in die Gesamtzusammenhänge
ein. Hier erhalten Sie auch einige konkrete Hinweise, wie sich das neue
Gesetz in der Praxis auswirken wird.
Wer ganz tief einsteigen möchte, dem empfehle ich zweierlei. Einmal
die Meinung von Tobias zu lesen, der im Online-Magazin
für Selbständige geschrieben hat und auch zu diesem Thema
einen umfangreichen Download anbietet. Ferner veröffentlicht das Magazin
ein Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit.
Zum anderen das Rundschreiben der Spitzenverbände
der Sozialversicherungsträger nachzulesen. Dieses Rundschreiben beginnt
mit einem Auszug aus dem Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung
und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte; Versicherungs- , Beitrags- und
Melderecht für scheinselbständige Arbeitnehmer und nennt anschließend
die Beratungsergebnisse. Angesehene Fachleute wie Prof. Dr. Herbert Buchner,
Augsburg meinen zu den Hinweisen in dem Rundbrief: "Diese lassen allerdings
noch viele Fragen offen. Ihr praktisch wichtigster Aspekt ist die Konkretisierung
des Merkmals der Tätigkeit 'im wesentlichen für einen Auftraggeber'.
Scheinselbständige
jetzt sozialversicherungspflichtig
Das neue Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung
und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte unterscheidet zwischen Scheinselbständigen
Arbeitnehmern und Arbeitnehmerähnlichen Selbständigen. Der Gesetzgeber
will mit diesem Gesetz Scheinselbständige Arbeitnehmer komplett in
die Sozialversicherung einbeziehen und Arbeitnehmerähnlichen Selbständigen
Rentenansprüche sichern.
Als Scheinselbständige werden Erwerbstätige
bezeichnet, die vertraglich als Selbständige behandelt werden, jedoch
die Pflichten eines Arbeitnehmers mit den Risiken eines Unternehmers in
sich vereinigen. Die Eigenständigkeit wird hierbei vertraglich oder
tatsächlich soweit eingeschränkt, daß der Handlungsspielraum
des Scheinselbständigen mit dem eines abhängig beschäftigten
Arbeitnehmers vergleichbar ist. Der Scheinselbständige beschäftigt
keine Arbeitnehmer, verfügt über kein nennenswertes Eigenkapital
und arbeitet überwiegend oder ausschließlich für einen
Arbeitgeber. Er ist weisungsgebunden und damit vom Auftraggeber abhängig.
Das Gesetz zur Korrektur in der Sozialversicherung
und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte, daß im wesentlichen zum
Januar 1999 in Kraft getreten ist, regelt unter anderem in den Artikeln
3 und 4 die Voraussetzungen für die Sozialversicherungspflicht von
Scheinselbständigen.
Für die Beurteilung der Scheinselbständigkeit
wird § 7 Absatz 4 Satz 1 SGB IV herangezogen.
Demnach wird ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis
gegen Entgelt dann vermutet, wenn mindestens zwei der folgenden 4 Merkmale
vorliegen:
-
Im Zusammenhang mit der Tätigkeit werden mit
Ausnahme von Familienangehörigen keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer
beschäftigt.
-
Der Erwerbstätige ist regelmäßig
und im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig.
-
Er erbringt für Arbeitnehmer typische Arbeitsleistungen,
hat insbesondere Weisungen seines Auftraggebers zu befolgen und ist in
dessen Arbeitsorganisation eingegliedert.
-
Er tritt nicht unternehmerisch am Markt auf.
Wichtiges Merkmal ist die Nichtbeschäftigung
von versicherungspflichtigen Arbeitnehmern. Anders als ein Selbständiger
kann ein abhängig beschäftigter die von ihm zu erbringende Arbeitsleistung
in der Regel nicht auf andere Personen übertragen, er hat sie persönlich
zu erbringen, als Ausnahme sieht § 7 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 SGB
IV nur die Beschäftigung von nahen Familienangehörigen. Dies
sind:
-
Der Ehegatte
-
Verwandte bis zum zweiten Grade (Kinder, Enkelkinder,
Eltern, Großeltern, Geschwister)
-
Verschwägerte bis zum zweiten Grade (Schwiegersöhne,
Töchter, Enkel, Stiefkinder, Ehegatten von Geschwistern)
-
Pflegekinder des Betroffenen oder seines Ehegatten
Dieser Personenkreis bleibt auch dann unberücksichtigt,
wenn er vom Betroffenen versicherungspflichtig beschäftigt wird. Unerheblich
ist auch, falls andere Arbeitnehmer im Rahmen einer geringfügigen
Beschäftigung tätig werden.
Der Begriff der Beschäftigung drückt
sich in der Bindung an nur einen Auftraggeber aus, wobei eine faktische
Bindung ausreichend ist. In Fällen einer vertraglichen Ausschließlichkeitsbindung
liegt die Scheinselbständigkeit klar auf der Hand.
Erfüllt ist das Erfordernis regelmäßig
und im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig zu sein
dann, wenn der Betroffene mindestens 5/6 seiner gesamten Einkünfte
aus den zu beurteilenden Tätigkeiten alleine aus einer dieser Tätigkeiten
erzielt.
Auch bei der Beschäftigung freier Mitarbeiter
entsteht kein wesentlicher Unterschied. Werden neben fest angestellten
Arbeitnehmern auch freie Mitarbeiter beschäftigt, spricht dies für
ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des sogenannten
freien Mitarbeiters.
Ein Unterschied besteht nur im Grad der persönlichen
Abhängigkeit, in welcher sich der zur Dienstleistung verpflichtete
befindet. Ein Arbeitnehmer ist persönlich abhängig, wenn er seine
Dienstleistung im Rahmen einer vom Dritten bestimmten Arbeitsorganisation
erbringt. In solchen Fällen unterliegt der Betroffene regelmäßig
dem Weisungsrecht des Arbeitgebers.
Dem steht nicht entgegen, daß die Art der
Tätigkeit (Dienste höherer Art) es mit sich bringt, das dem Mitarbeiter
ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher
Selbständigkeit verbleibt.
Selbständig ist nur, wer unternehmerische
Entscheidungsfreiheit genießt. Wer über Einkaufs-, Verkaufspreise
etc. nicht eigenständig entscheiden kann, ist in der Regel nicht selbständig.
Nach § 7 Absatz 4 Satz 4 SGB IV gelten die
Auftraggeber der Scheinselbständigen als Arbeitgeber. Sie haben alle
sich hieraus ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen, die festgestellten
Beiträge abzuführen.
Die Vorschriften über Scheinselbständige
gelten nicht für Handelsvertreter, die im wesentlichen ihre Tätigkeit
frei gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können, der
Begriff ist im
§ 84 HGB genau definiert.
Für Rückfragen steht Ihnen zu diesem
Thema zur Verfügung:
Rechtsanwalt
Norbert Stock
Hauptstr.85
63887
Miltenberg
Telefon:
09371 / 97210
|