Inhalt:
Definition
Strukturelle Betrachtung
Funktionale Betrachtung
Phasen der Theorienbildung
Einteilung der Entwicklung
Autor
|
Sprach-Labor
Sprachentwicklung
Sprache als System und als Handlung:
Definition nach
SROUFE & COOPER:
Sprache ist ein komplexes Kommunikationssystem, das willkürliche
Symbole verwendet, die auf unzählige Arten kombiniert werden können,
um Information zu übermitteln. Der Antrieb zum Spracherwerb scheint
intrinsisch zu sein. Kinder sind selbst an der Kommunikation interessiert:
Sie initiieren Kommunikation und halten sie am laufen, durch Fragen wie
"was' das?" Außerdem wollen sie Bedeutung übermitteln (läßt
sich daran sehen, daß sie wütend werden, wenn man sie nicht
richtig versteht).
Die Grundlage der Sprache bilden Übereinkünfte über die
Kombination von Lauten zu bedeutungsvollen Einheiten und von Worten zu
Sätzen.
Phoneme sind die Klänge, aus denen sich die Sprache zusammensetzt.
Morpheme
sind die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten. Syntax ist das
Studium der Regeln, die bestimmen, wie Wörter zu einem Satz zusammengefaßt
werden. Semantik ist das Studium der Bedeutungen, die die Sprache
übermittelt.
Auch die Konversation unterliegt bestimmten Regeln: diese werden in
der Diskursanalyse untersucht. Die Pragmatik unterwsucht die Regeln,
die die Sprachverwendung in unterschiedlichen sozialen Kontexten steuern.
Es scheint so, als würden auch schon kleine Kinder pragmatisches Wissen
besitzen: Wenn 5-Jährige einem 2-Jährigen etwas erklären
sollen, verwenden sie einfachere Sätze, sprechen langsamer und wiederholen
öfter (SHATZ & GELMAN), obwohl ihnen das nicht explizit beigebracht
wurde. Die Soziolinguistik beschäftigt sich mit unterschiedlichem
Sprachgebrauch aufgrund der Zugehörigkeit zu verschiedenen sozialen
Gruppen.
Die rezeptiven Fähigkeiten eines kindes entwickeln sich vor den
produktiven.
Strukturelle
Betrachtungsweise:
In seiner Zeichentheorie der Sprache (Semiotik) unterscheidet MORRIS
drei Dimensionen:
-
Die syntaktische Dimension; sie beinhaltet die Beziehung sprachlicher
Zeichen untereinander,
-
die semantische Dimension; durch sie wird das Verhältnis der
Zeichen zu nichtsprachlichen Realitäten bestimmt,
-
die pragmatische Dimension; sie stellt das Verhältnis von den
Zeichen zu ihren Benutzern her.
Die Form der Sprache, ihr Bedeutungsgehalt und ihr Gebrauch gehören
eng zusammen. Als verschiedene Aspekte aufgefaßt sind sie allerdings
voneinander abstrahierbar.
CHOMSKY rekonstruiert die Sprache als formales System, in dem isolierbare
syntaktische und semantische Elemente regelhaft aufeinander bezogen sind.
Die wichtigste semantische Grundeinheit ist dabei der Satz. Sprachbeschreibung
und -erklärung sind damit reduziert auf die Beschreibung und Erklärung
von Sätzen; die Sprachverwendung bleibt ausgeklammert. Nach Chomsky
erbringt der Sprecher/Hörer ("native speakers") die folgenden Leistungen:
-
Sie können Sätze auf ihre Grammatikalität hin beurteilen.
-
Sie erkennen, ob verschiedene Sätze bedeutungsgleich sind.
-
Sie sind in der Lage, Mehrdeutigkeiten zu durchschauen und durch Paraphrasierung
aufzulösen.
-
Sie sind fähig, immer wieder neue Sätze zu bilden und zu verstehen.
Sie zeigen sprachliche Kreativität.
Aus den ersten drei Beobachtungen zieht Chomsky den Schluß, daß
den wahrnehmbaren Gestalten von Sätzen Baupläne zugrunde liegen,
die die eigentliche Bedeutung konstituieren. Dabei unterscheidet er eine
Oberflächenstruktur
und eine Tiefenstruktur von Sätzen. In der Tiefenstruktur ist
dabei festgelegt, welche grammatikalischen Kategorien ein Satz enthält,
welche grammatikalischen Relationen zwischen den Kategorien bestehen, welche
lexikalischen Einheiten für die grammatischen Kategorien eingesetzt
werden können. Der Tiefenstruktur wird entsprechend eine semantische
Interpretation zugeordnet, die ihre Bedeutungsstruktur bestimmt. Mittels
Transformationsregeln wird die Tiefenstruktur in die Oberflächenstruktur
überführt. Die richtige Artikulation des Satzes wird schließlich
durch die phonologische Komponente gewährleistet.
Funktionale
Betrachtungsweise:
Der Mensch produziert aber nicht nur Sätze, er verwendet sie intentional
und zweckgerichtet. Sprachliche Kompetenz im Sinne der Verständigungsfähigkeit
umfaßt das Wissen, in welchem sozialen Kontext, in welcher Weise
und mit welchen Erwartungen welchem Gesprächspartner etwas zu sagen
und unter Umständen auch etwas zu verschweigen ist.
Wir lernen die sozio-normativen Regeln der Verständigung, also
die kommunikative Kompetenz, weil wir kommunizieren, nicht weil
wir grammatische Regeln gelernt haben. Durch den Gebrauch von Sprache erwerben
wir die Struktur, die wiederum neue Formen des Gebrauchs ermöglicht.
Funktion und Struktur sind also untrennbar miteinander verbunden.
Die linguistische Pragmatik untersucht Sprache unter dem funktionalen
Aspekt: Sprechen ist eine Form des Handelns; die Sprechhandlung (Sprechakt)
ist konstituierend für die Beziehung der Kommunikationspartner zueinander;
sie kann, wie jede andere Handlung auch, gelingen oder mißlingen.
BÜHLER betonte den Handlungscharakter der Sprache; sie ist für
ihn ein Werkzeug ("organon"), "um Einer dem Anderen etwas mitzuteilen
über die Dinge." Damit werden drei Komponenten hervorgehoben:
-
die subjektive Komponente: Einer (Ausdruck),
-
die intersubjektive Komponente: dem Anderen (Apell),
-
die objektive Komponente: über die Dinge (Darstellung).
Das Zeichen ist
-
Symbol kraft seiner Beziehung zu Gegenständen und Sachverhalten
(objektive Komponente), es ist
-
Symptom kraft seiner Abhängigkeit von der Sprecherintention,
also vom Sender (subjektive Komponente) und es ist
-
Signal kraft seines Apells an den Hörer, dessen Verhalten es
steuert (intersubjektive Komponente).
Eine Sprechhandlung dient also immer zugleich der Darstellung, dem Ausdruck
und dem Apell. Allerdings wird bei den verschiedenen möglichen Sprechhandlungen
immer nur eine Funktion im Vordergrund stehen können.
Wenn ein konkretes Ding oder ein konkreter Vorgang (z.B. ein Lautgebilde)
als Zeichen fungiert, dann sind es stets bestimmte abstrakte Momente an
diesem Ding oder Vorgang (und nur sie), an die die Zeichenfunktion geknüpft
ist. BÜHLER nennt dies das Prinzip der abstrakten Relevanz; ein Teil
des Lautgebildes fungiert als Zeichen, alles andere ist irrelevant.
BÜHLER untersucht vor allem das Zeichen. Das Zeichen ist zweifelos
das Kernstück der Sprache, aber die Sprache ist mehr als das Zeichen.
NAch RÉVÉSZ sind Ausdruck und Ausgedrücktes koexistente
Pole einer psychischen Einheit. Der Ausdruck, der zu einem Zweck eingesetzt
wird, wird zum Signal oder Sprachsymbol.
PEARCE unterscheidet verschiedene Grade des Zusammenhangs zwischen Zeichen
und Bezeichnetem:
-
Icon (das Zeichen hat Ähnlichkeit mit dem Bezeichneten),
-
Index (das Zeichen steht mit dem Bezeichneten in kausalem Zusammenhang)
und
-
Symbol (das nach einer konventionellen Regel dem Bezeichneten zugeordnet
ist).
SAUSSURE betont die Willkürlichkeit der Zusammengehörigkeit von
Zeichen und Bezeichnetem. Signe ist die durch Assoziation entstandene
Einheit von signifiant (die psychologische Spur des Lautes, nicht
der Laut selbst) und signifié (der Begriff).
AUSTIN und SEARLE untersuchten den Handlungscharakter der Sprache und
unterschieden folgende Komponenten:
-
Inhaltskomponente (Lokution): Was sage ich dir?
-
Beziehungskomponente (Illokution): Wie sage ich es dir?
-
Interpretationskomponente (Perlokution): Wie verstehst du, was ich
dir sage?
Die Sprechhandlung ist also dialogischer Natur, da auch die Reaktion des
Hörers mit einbezogen ist, denn ob eine Sprechhandlung gelingt oder
nicht, ob sie also die beabsichtigte Wirkung erzielt, hat nicht allein
der Sprecher in der Hand, sondern es hängt auch ganz wesentlich davon
ab, ob der Hörer mitspielt.
Phasen entwicklungspsychologischer
Theorienbildung:
Im "Besitz" der Sprache zu sein heißt einmal, die Beherrschung
des sprachlichen Ausdrucksmittels im Sinne des grammatischen Regelrepertoires
und andererseits, sich anderen Personen verständlich zu machen, sich
über Gegenstände und Sachverhalte zu verständigen und dabei
gegebenenfalls eine Einigung erzielen zu können. Der System-Aspekt
wurde die "linguistische Kompetenz" und der Handlungs-Aspekt die "kommunikative
Kompetenz" genannt.
Ein Problem der frühen Sprachforschung war, daß die Sprache
nicht als Fortsetzung des nicht-sprachlichen Handelns mit einem anderen
Mittel begriffen wurde. Die weitgehende Einschränkung auf die Untersuchung
des syntaktischen Teils der Grammatik ist als Folge der Tatsache zu werten,
daß Chomsky der Syntax Priorität einräumt und diese auch
am befriedigendsten präzisiert hat. Die Forscher interessierten sich
auch nicht für das einzelne Kind in seinem konkreten Sozialisationskontext,
sondern für das Kind in einem universellen ahistorischen Sinn.
Semantisch-relationale Phase: BLOOM hat zuerst den Bedeutungsaspekt
gegenüber der rein syntaktischen Analyse hervorgehoben: Man kann nur
vor dem Hintergrund des Gesamtkontextes zutreffend interpretieren. Die
Frage, was das Kind eigentlich meint, wenn es Wörter in einer bestimmten
Abfolge äußert, kann nur beantwortet werden, wenn auch festgestellt
wird, wem gegenüber in welcher konkreten Situation es diese und keine
anderen Wörter äußert. Diese Methode der Kontextanalyse
macht allerdings bei den Reaktionen des Kommunikationspartners halt. Die
kindlichen Äußerungen werden wiederum vom dialogischen Geschehen
abgezogen und erhalten den Status kommunikationsloser Sätze. Man ging
in Anlehnung an Piaget davon aus, daß sich die linguistische Kompetenz
in direkter Abhängigkeit von der Denkentwicklung ausbilde. Die Entwicklung
der Sprache ist somit Ausdruck der Verstandesentwicklung. Wenn ein Kind
das Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung bei Handlungen und Erlebnissen
verstanden hat, kann es begreifen, daß dieses Verhältnis mit
subtilen Wort- und Satzveränderungen dargestellt werden kann. Dies
erfolgt erst im zweiten Lebensjahr.
Funktional-kommunikative Phase: LORENZER ging davon aus, daß
Bedeutungen lebenspraktische Entwürfe sind, die in einem Wechselprozeß
produziert werden, bei dem das Kind Produkt und Produzent ist. Das Kind
kann sich, schon bevor es Sprache im linguistischen Sinn erworben hat,
mit der Mutter verständigen. Das Ziel der Forschung ist es daher,
von diesen prälinguistischen Formen auszugehen und den zunehmenden
Erwerb sprachlicher Struktur- und Verwendungsregeln zu beschreiben und
zu erklären. Relevante Untersuchungsfragen sind:
-
Welche Formen der Kommunikation zwischen dem Kind und seine Bezugspersonen
bilden sich heraus?
-
Wie baut das Kind im und über den Dialog sein grammatisches System
auf?
Einteilung
der Entwicklung:
KOHNSTAMM unterscheidet die phonetische Entwicklung, die sich auf die
Laute bezieht, die ein Kind bilden kann; die semantische Entwicklung betrifft
die Bedeutung dessen, was es sagt; die syntaktische Entwicklung bezeichnet
die Entwicklung des kindlichen Satzbaus; die morphologische Entwicklung
betrifft unter anderem das Konjugieren der Verben und Deklinieren der Substantive.
|